75 Jahre Grundgesetz

Nachgefragt: Wie stehen junge Menschen zur Demokratie?

2024 feiert das Grundgesetz seinen 75. Geburtstag und viele Menschen das „Jahr der Demokratie“. Was bewegt die ze.tt-Community?

 © Getty Images

 

Für viele ist das Jahr 2024 ein Grund, zu feiern: Das Grundgesetz, die Grundlage unserer Demokratie, wird 75 Jahre alt. Dieses Jubiläum liefert auch einen Anlass, um die Artikel des Grundgesetzes ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Und noch etwas macht dieses Jahr politisch besonders: Im Juni wurde das Europaparlament gewählt – diesmal auch von Menschen ab 16 Jahren. Und für die Bewohner:innen dreier ostdeutscher Bundesländer steht im September eine weitere Wahl an – die der Landtage von Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Aber wie stehen eigentlich junge Menschen zur Demokratie? Was beschäftigt sie? Das haben wir sie gefragt und zur weiteren Einordnung auch gleich ein paar Studien mitgebracht.

 

„Junge Menschen stehen zu Europa und zur Demokratie“

Schauen wir zuerst auf die Studienlage: Die internationale Jugendstudie der TUI Stiftung aus diesem Jahr zeigt, dass der Blick junger Menschen auf die Demokratie, vor allem in Deutschland, positiv ist. Und mehr als die Hälfte der befragten jungen Europäer:innen findet, dass die Mitgliedschaft ihres Landes in der Europäischen Union (EU) „eine gute Sache“ ist. „Junge Menschen stehen zu Europa und zur Demokratie. Es sind die grundlegenden Freiheiten und Werte Europas, die sie als die wichtigsten Errungenschaften der EU sehen“, sagt der Vorsitzende der TUI Stiftung, Thomas Ellerbeck, auf der Website der Stiftung.

Zu diesen Freiheiten zählen vor allem die Reisefreiheit, die Demokratie, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit. Wie schnell man sich an diese Freiheiten gewöhnt, hat Noa* mit uns geteilt. Auf Instagram haben wir die ze.tt-Community gefragt, wo sie Demokratie im Alltag erlebt – und wo sie ihr fehlt. Noa schreibt auf unsere Nachfrage, dass er Demokratie im Alltag erlebt hat, „als durch die Europameisterschaft wieder Grenzkontrollen stattgefunden haben und ich gesehen habe, wie komfortabel es ohne ist“.

 

Da ist noch Luft nach oben

Die Zustimmung zur Demokratie nimmt im Studienvergleich der vergangenen TUI-Befragungen zwar zu. Dennoch beobachten 55 Prozent der Befragten auch in Deutschland demokratiefeindliches Verhalten – damit sind vor allem die „Spannungen zwischen rechts und links“ gemeint. Ein Kritikpunkt vieler junger Menschen ist außerdem die fehlende Repräsentation durch politische Institutionen. Nur knapp 20 Prozent der jungen Befragten aus Deutschland gaben an, sich vom Europaparlament stark oder sehr stark vertreten zu fühlen. Seyda schreibt auf die Frage, wo ihr Demokratie im Alltag fehlt: „Transparenz bei der Arbeit der EU.“

 

Ich erlebe Demokratie… „im Alltag, wenn ich an Wahlen teilnehme, meine Meinung frei äußern und mich an Diskussionen beteiligen kann.“
Josefine, ze.tt-Leserin

 

Besonders wichtige Instrumente unserer Demokratie sind laut der Jugendstudie der TUI Stiftung Demonstrationen und Wahlen. Auch das bestätigt sich in den Einsendungen der Community: Josefine erlebt Demokratie „im Alltag, wenn ich an Wahlen teilnehme, meine Meinung frei äußern und mich an Diskussionen beteiligen kann“. Oder Lukas bei seinem Gang zur Europawahl. Lou wiederum „bei Hochschulwahlen an meiner Universität oder der Wahl der Schülervertretung damals in der Schule“. Melina allerdings wünscht sich, dass es noch einen Schritt weiter geht: „Ich finde, bestimmte Entscheidungen könnten und sollten öfters direkt durch Volksentscheide getroffen werden.“ Und Simon hat Demokratie vor allem „bei den Protesten gegen rechts Anfang des Jahres“ erlebt.

 

Ist die Demokratie vertrauenswürdig?

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat das Vertrauen junger Menschen in die Demokratie untersucht. Knapp 60 Prozent der Befragten aus Deutschland gaben an, der Demokratie zu vertrauen, besonders den Bereichen Bildung und Wissenschaft: In diese Bereiche haben drei Viertel der Befragten Vertrauen. Das Gefühl, sich gut aufgehoben zu fühlen, kennt auch Melina: „An Universitäten begegne ich Demokratie häufig, durch den AStA oder politische Hochschulgruppen. Selbst wenn man darin selbst nicht aktiv ist, habe ich das Gefühl, dass ich mich beteiligen könnte und dass unsere Studierendenschaft etwas bewirkt.“

Um diese Tendenzen weiter zu stärken, empfehlen die Studienautor:innen der Bertelsmann Stiftung gezielte Maßnahmen: zum Beispiel die aktive Beteiligung junger Menschen am politischen Diskurs – nicht nur bei Wahlen. Diesen Wunsch verdeutlicht auch die Nachricht von ze.tt-Leser Joko: „Demokratische Beteiligung für große Entscheidungen hat man gefühlt nur alle vier Jahre“, schreibt er.

 

Mitreden: bei den „Jungen Verfassungsgesprächen“

Mit Staatsanwält:innen, Richter:innen oder Polizist:innen über die Verfassung sprechen? Am 10. August treffen junge Menschen ab 14 Jahren auf dem Karlsruher Marktplatz auf Justizexpert:innen. In Gesprächsrunden können sie ihre Meinung sagen und Fragen stellen. Mehr dazu erfährst du hier.

 

Mentale Gesundheit, Klimawandel, Menschenrechte

Die Forscher:innen der Bertelsmann-Studie haben junge Menschen außerdem gefragt, welche Themen sie in Bezug auf Demokratie beschäftigen. Das seien insbesondere die Menschenrechte und deren Verletzung. Auch ze.tt-Leserin Julia schreibt, dass es in vielen Ländern an demokratischen Strukturen fehle, was zu „Unterdrückung, Korruption und Ungerechtigkeit führen kann“.

Auch der Klimawandel spielt für junge Menschen eine wichtige Rolle. Konstantin aus der ze.tt-Community freut sich über demokratische Errungenschaften diesbezüglich, nämlich „als ich gesehen habe, dass Supermärkte keine Plastiktüten mehr haben“.

„Die jungen Erwachsenen sorgen sich weiterhin um den Klimawandel, aber sie besetzen das Thema längst nicht mehr allein“, sagt Anja Langness, Jugendexpertin der Bertelsmann Stiftung, auf der Studienseite. „Daher wäre es grundlegend falsch, ihre Sorgen und Ängste darauf zu reduzieren. Denn die Sorgen junger Menschen sind weitaus diverser. Wir als Gesellschaft müssen genauer hinsehen, was sie belastet“, sagt Langness. Der Vergleich mit älteren Befragten zeigt beispielsweise: Das Thema mentale Gesundheit beschäftigt vor allem junge Menschen.

 

Im Einsatz

Und auch wenn die Beteiligung junger Menschen am Politikgeschehen ausbaufähig ist, zeigt sich, dass sie sich jetzt schon in unterschiedlicher Weise für die Demokratie einsetzen. Das sieht man zum Beispiel daran, dass sich fast die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland ehrenamtlich engagiert. Damit liegt ihr Engagement über dem des gesamten Bevölkerungsdurchschnitts. Von ihrem Engagement berichtet auch ze.tt-Leserin Miriam, die Demokratie erlebt, wenn sie sich „für andere einsetzt, damit wir gleichberechtigter werden“. Und: Die Engagementbereitschaft junger Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren, die sich zurzeit nicht freiwillig engagieren, ist laut der Befragung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „relativ hoch“.

 

*Alle Namen sind von der Redaktion geändert

 

 

 

 

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